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So prägen erneuerbare Energien den Schweizer Strommarkt bis 2050

Der Kernstrom wird auslaufen, dafür nehmen Wind-, Wasser- und Solarstrom Fahrt auf. Kann der Schweizer Strommarkt die daraus entstehenden Veränderungen bewältigen?

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Kombinierte Strommarktmodelle». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Analyse zukünftiger Strommärkte».
Der Ausbau der Sonnenenergie stellt das System vor Herausforderungen.
Der Ausbau der Sonnenenergie stellt das System vor Herausforderungen. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Der Strommarkt steht vor Veränderungen: Vor allem die unstetige Einspeisung von Wind- und Solarstrom wird sich merklich auf die Versorgungslage und die Preise auswirken.
  • Forschende der Universität Basel und ETH Zürich sind der Frage nachgegangen, ob das Schweizer Stromsystem diesen Veränderungen gewachsen ist.
  • Dazu haben sie sowohl technische als auch ökonomische Modelle kombiniert und damit verschiedene Entwicklungen simuliert.
  • Ihr Fazit: Die aktuelle Marktarchitektur ist auch ohne gesetzliche Hilfestellung dafür geeignet, die Ziele der Energiestrategie 2050 zu bewältigen – vor allem dank der flexiblen Wasserkraft.

In Zukunft sollen erneuerbare Energien in der Schweizer Stromversorgung eine grössere Rolle übernehmen. Heute liefern Kernkraftwerke und fossile Energien relativ kontinuierlich Strom. Hingegen sind Wind- und Solarstrom abhängig von äusseren Bedingungen – was eine unstetige Einspeisung zur Folge hat. Das wird sich auf die Importe, Exporte und Strompreise auswirken.

Es stellt sich die Frage: Kann der Schweizer Strommarkt diese Herausforderungen alleine bewältigen und ohne weitere gesetzliche Hilfestellungen die Ziele der Energiestrategie 2050 erreichen? Und: Gefährdet der höhere Anteil von erneuerbaren Energien die Zuverlässigkeit des Schweizer Elektrizitätsnetzes?

Diese Fragestellungen haben Forschende der Universität Basel und ETH Zürich in einem Verbundprojekt untersucht. Dabei haben sie sich sowohl auf technische als auch auf ökonomische Modelle zum Schweizer und dem europäischen Markt gestützt. In dem hier vorgestellten Unterprojekt werden diese Modelle zu einem sinnvollen Rahmen verbunden.

Mit dieser verknüpften Modellstruktur lassen sich die Auswirkungen verschiedener Zukunftsszenarien simulieren. Ebenfalls liefert sie stündliche Marktdaten, mit denen sich untersuchen lässt, wie sich die erneuerbaren Energien auf den Import und Export von Strom unter verschiedenen Marktbedingungen auswirken. So lassen sich auch saisonale oder tagesabhängige Muster erkennen.

Der Markt schafft das

Der wichtigste Befund des Projekts ist: Die aktuelle Marktarchitektur eignet sich für die erwarteten Veränderungen im Rahmen der Energiestrategie 2050. Die Wasserkraft ist flexibel genug, damit der Markt mit der Dynamik der erneuerbaren Energien fertigwerden kann. Es braucht also keine grundlegenden strukturellen Veränderungen.

Die Schweiz ist bereits heute gut gewappnet. Die hohen Kapazitäten für Import und Export und der geplante weitere Ausbau des Stromnetzes sind für die erwarteten Veränderungen im System ausreichend. Zentral bleibt dabei aber weiterhin die gute Einbindung der Schweiz in das europäische Stromsystem.

Zu diesem Schluss kamen die Forschenden nachdem sie bis ins Jahr 2050 mehrere Szenarien durchgespielt hatten. Diese liessen sich zwei Haupt-Szenarien zuordnen: «No Policy», bei dem die Entwicklung dem Markt überlassen wird und «Renewable Target», bei dem die Politik eingreift und erneuerbare Energien gesetzlich fördert.

Strom-Importe das ganze Jahr

So oder so: Der Ausbau von erneuerbaren Energien und der Atomausstieg werden die saisonale Stromversorgung in der Schweiz verändern. Während heute im Sommer exportiert und im Winter importiert wird, wird in Zukunft voraussichtlich das ganze Jahr hindurch Strom importiert werden müssen.

Im Szenario, in dem die erneuerbaren Energien gesetzlich gefördert werden, dürfte langfristig das alte Muster der Sommer-Exporte und Winter-Importe wieder zurückkehren. Übers ganze Jahr gesehen wird aber dennoch mehr Strom ein- als ausgeführt werden.

Die Preisentwicklung in der Schweiz wird sich weiterhin stark am europäischen Markt orientieren. In allen Szenarien sagt das Modell Preissteigerungen voraus, vornehmlich getrieben durch die ansteigenden CO2 Preise.

Die Kosten zur Gas- und Kohleproduktion nähern sich einander an und erreichen in der Simulation ab 2045 ein ähnliches Niveau. Folglich schmilzt auch der Preisunterschied zwischen den Stunden, in denen Kohle oder Gas den Preis bestimmen. Das wird für Pumpspeicherkraftwerke wichtig, deren Geschäftsmodell auf Marktdynamiken aufgebaut ist.

Günstig im Frühling, teuer im Herbst

Der grössere Anteil an erneuerbaren Energien wird später auch dazu führen, dass die Preise im Frühling und Sommer sinken werden: Denn an den langen Tagen ist Sonnenlicht in Hülle und Fülle vorhanden. Dafür schiessen die Preise im Herbst und Winter in die Höhe, wenn die Nachfrage nach Strom steigt.

Vor allem in der Übergangsphase wird dieser Effekt stark zu spüren sein, wenn die erneuerbaren Energien den gesteigerten Bedarf noch nicht alleine decken können und fossile Kraftwerke in diesen Zeiten die Preise setzen. Wenn man sich die durchschnittliche Preisentwicklung anschaut, gilt es also zu beachten, dass es Zeiten mit Ausreissern nach oben und unten geben wird.

Auf die Wasserkraft wirkt sich diese Preisentwicklung je nach Kraftwerktyp unterschiedlich aus. Der Ertrag der Flusskraftwerke bleibt nahe am durchschnittlichen Marktpreis. Die Pumpspeicherkraftwerke könnten aber langfristig profitieren: Laut der Simulation können sie im Jahr 2050 mit viel Einspeisung aus Wind und Sonne günstig Wasser pumpen – und es später für einen guten Marktpreis wieder verkaufen.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Dr. Hannes Weigt

Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
Universität Basel
Peter Merian-Weg 6
Büro 4.34
4002 Basel

+41 61 207 32 59
hannes.weigt@unibas.ch

Hannes Weigt

Projektleitung

Patrick Eser

Carla Manuela Tavares Mendes

Jonas Savelsberg

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.