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Gebirgsstollen speichert Druckluft und Wärme

Um unseren Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen zu decken, braucht es mehr Stromspeicher. In Zukunft können Druckluftspeicher genau wie Pumpspeicher als Batterien in den Alpen eingesetzt werden.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Optimierung von Druckluftspeichern». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Stromspeicherung über adiabatische Luftkompression».
Energiespeicherung mit Druckluft wird effizient, wenn man auch die Verdichtungswärme speichert, wie in dieser Pilotanlage mit einem Speicher für latente Wärme (Vordergrund) und fühlbare Wärme (Hintergrund).
Energiespeicherung mit Druckluft wird effizient, wenn man auch die Verdichtungswärme speichert, wie in dieser Pilotanlage mit einem Speicher für latente Wärme (Vordergrund) und fühlbare Wärme (Hintergrund). Viola Beccatini
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Dank Wärmerückgewinnung können Druckluftspeicher Strom mit einem Wirkungsgrad von 65 bis 75 Prozent speichern.
  • Die Druckluftspeicherung ist die einzige Technologie, die punkto Wirkungsgrades und Kapazität mit Pumpspeichern vergleichbar ist.
  • Die weltweit erste Pilotanlage steht in der Schweiz und zeigt, dass das Prinzip funktioniert.

Energiespeicher werden immer wichtiger, weil die stets verfügbaren fossilen Energieträger und die Kernenergie zunehmend durch Strom aus Sonne und Wind abgelöst werden. Denn der grüne Strom hängt von den Launen der Natur ab und fällt nicht immer synchron zum Bedarf an.

Eine schonende Alternative

Die einzige bis heute verfügbare Speichermöglichkeit mit grosser Kapazität und gutem Wirkungsgrad sind Pumpspeicherkraftwerke. Solche Wasserkraftanlagen sind jedoch mit starken Eingriffen in die Landschaft und den Wasserkreislauf verbunden und deshalb umstritten. Eine Technologie, die Energie im Verborgenen speichert, käme daher gelegen. So eine Technologie könnte die Druckluftspeicherung in Felskavernen sein. Dabei wird gewöhnliche Umgebungsluft in einen dicht verschlossenen Hohlraum im Fels gepresst und speichert damit Energie. Der Druck in der aufgeladenen Kaverne kann später eine Turbine antreiben, die wieder Strom erzeugt.

Dass die Druckluftspeicherung das Potenzial zur Stromspeicherung im grossen Massstab hat, davon ist Andreas Haselbacher vom Energy Science Center der ETH Zürich überzeugt. Er tüftelt mit seinem Team an einem entscheidenden Baustein, der die Druckluftspeicherung punkto Effizienz der Pumpspeicherung in Stauseen ebenbürtig machen soll – einem Wärmespeicher.

Mehr Power dank Wärmespeicher

Wärme ist das unvermeidliche Nebenprodukt der Verdichtung von Luft. Diese Verdichtungswärme wird bei den heute bestehenden Druckluftspeicheranlagen, die in Huntorf (D) und McIntosh (USA) betrieben werden, abgeleitet – geht also verloren. Bei der Stromerzeugung wiederum muss die Luft wieder erwärmt werden, damit sie nicht zu kalt wird für die Turbine. Dieses Funktionsprinzip ist wenig haushälterisch und liefert nur noch knapp die Hälfte des Stroms, der zur Speicherfüllung verbraucht wurde.

Viel effizienter wäre es, die anfallende Wärme zu speichern, statt zu verschwenden. In diesem Projekt wurde ein Speicher entwickelt, der die beim Verdichten der Luft entstehende Wärme aufnimmt, um sie der Druckluft wieder abzugeben bevor sie in der Turbine expandiert wird. Dank dieser Wärmerückgewinnung steigt der Wirkungsgrad der Stromspeicherung auf 65 bis 75 Prozent.

Ein unzertrennliches Paar

Ein Teil des Wärmespeichers besteht aus ganz gewöhnlichen Steinen. Diese erwärmen sich im heissen Luftstrom. Man spricht von der Speicherung «fühlbarer Wärme». Die Luft kühlt sich beim Durchströmen des Steinstapels von über 500 Grad Celsius auf etwa 20 Grad ab. So werden die Belastungen des Fels, der durch die hohen Drücke entstehen, reduziert.

Stahlrohre enthalten eine spezielle Stoffmischung für die latente Wärmespeicherung.
Stahlrohre enthalten eine spezielle Stoffmischung für die latente Wärmespeicherung. Viola Beccatini

Dem Speicher für fühlbare Wärme vorgeschaltet ist ein weiterer, kleinerer Speicher. Dieser speichert beim Laden Wärme latent, also versteckt, durch Schmelzen einer speziellen Metalllegierung aus 68,5 Prozent Aluminium, 26,5 Prozent Kupfer und 5 Prozent Silicium. Beim Entladen der Kaverne erstarrt das Material und gibt die Schmelzwärme wieder frei. Während des Erstarrungsvorgangs bleibt die Temperatur der Legierung nahe am Schmelzpunkt, der durch die austarierte Zusammensetzung bei 525 Grad Celsius liegt. Der latente Wärmespeicher wirkt so wie ein Thermostat, der verhindert, dass die abgegebene Druckluft sich zu schnell abkühlt. Dies schont die Turbinen und kann helfen, mit einer konstanten Leistung Strom zu erzeugen.

Pionierleistung eröffnet Perspektiven

Dass dieses Prinzip funktioniert, konnten die Forschenden mit der weltweit ersten Pilotanlage demonstrieren. Diese Pilotanlage wurde von der Firma ALACAES in einem Schutterstollen erbaut, der während dem Bau des Gotthard-Basistunnels benützt wurde. Der Wärmespeicher verhielt sich weitgehend so, wie es die Forscher berechnet hatten.

Trotz erfolgreichem Test gibt es aber noch viel zu verbessern. Beim latenten Wärmespeicher war im Test Material aus den Behältern ausgetreten – ein Problem, das leicht zu beheben sein sollte, meint Haselbacher. Eine interessantere Frage ist, wie sich die Zusammensetzung des Speichermaterials weiter optimieren lässt, um die Temperatur der austretenden Druckluft möglichst stabil zu halten. Dazu entwickelten die Forschenden eine neue Methode, die es erlaubt, schnell interessante Materialmischungen zu finden.

Für die Speicherung fühlbarer Wärme stellt sich die Frage, welche Steinsorten als Speicher am besten geeignet sind. Die Forschenden testeten verschiedene Steine, indem sie diese im Labor immer wieder erhitzten und auskühlen liessen. Dieser Tortur halten einige Steine nicht unbeschadet stand. Sie verlieren an spezifischer Wärmekapazität und können die heisse Druckluft dadurch weniger effizient kühlen. Das wirkt sich aber kaum merklich auf die Leistung der Anlage aus.

Für den Wärmespeicher testeten die Forschenden verschiedene Steinsorten.
Für den Wärmespeicher testeten die Forschenden verschiedene Steinsorten. Viola Becattini

Bedeutsamer ist, dass die Steine durch die Beanspruchung teilweise porös werden und dadurch bröckeln. Kleine Steinpartikel könnten dann die Anlage verstopfen oder sogar mit dem Luftstrom in die Turbine gelangen und die Turbinenschaufeln beschädigen. Die Versuche brachten aber bereits Steinsorten zutage, welche die Hitzebehandlung aushielten, ohne brüchig zu werden und für den Langzeitbetrieb geeignet erscheinen – darunter ein Serpentinit aus den italienischen Alpen.

Durch die Pilotanlage und die ergänzenden Experimente haben die Forschenden viel über die technischen Schwierigkeiten der Druckluftspeicherung und Wärmespeicherung gelernt. Mit der weitgehenden Klärung der technischen Machbarkeit tritt zunehmend die Frage der Wirtschaftlichkeit von Druckluftspeichern in den Vordergrund. Erste Abklärungen haben gezeigt, dass Druckluftspeicher wirtschaftlich sein könnten. Deshalb verdient die Druckluftspeicherung mit ihrer geringen Umweltbelastung mehr Aufmerksamkeit als Speicheroption für grosse Strommengen.

Kontakt und Team

Dr. Andreas Haselbacher

Departement Maschinenbau und Verfahrenstechnik
ETH Zürich
Sonneggstrasse 28
SOI C 5
8092 Zürich

+41 44 632 69 05 haselbac@esc.ethz.ch

Andreas Haselbacher

Projektleiter

Viola Becattini

Peter Burgherr

Lukas Geissbühler

Christopher Mutel

Warren Schenler

Giw Zanganeh

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 12.06.2019 ab.