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Mit Politik der kleinen Schritte den Turnaround schaffen

Damit die Energiestrategie 2050 zum Erfolg wird, sind nicht nur technische Herausforderungen zu meistern. Es ist vor allem eine politische Frage. Jedoch ist die Schweizer Bevölkerung für revolutionäre Veränderungen nicht zu gewinnen, eher für evolutionäre Schrittchen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Akzeptanz erneuerbarer Energie».
Herr und Frau Schweizer lassen sich am besten mit kleinen Schritten in Richtung erneuerbare Energie bewegen.
Herr und Frau Schweizer lassen sich am besten mit kleinen Schritten in Richtung erneuerbare Energie bewegen. Shutterstock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Die Bereitschaft, auf erneuerbare Energien umzustellen, sinkt deutlich, wenn dafür mehr bezahlt werden muss.
  • Obwohl grüne Steuern aus Sicht der Wissenschaft besonders vorteilhaft wären, sind sie in der Bevölkerung und politisch unbeliebt.
  • Die Kantone sind gefordert, Massnahmen zu ergreifen und sich untereinander abzusprechen.

Über die Umsetzung der Energiestrategie 2050 liegen bereits viele technische Abhandlungen vor. Viele befassen sich mit Energieeinsparungen in Gebäuden, Kraftwerken, Privathaushalten. Doch wie lässt sich die Schweizer Bevölkerung für den Ausbau erneuerbarer Energien gewinnen? Dieser Frage ging ein Forschungsteam um Isabelle Stadelmann-Steffen von der Universität Bern nach.

In ihrem Projekt standen vier Quellen erneuerbarer Energie im Vordergrund: Kleinwasserkraft, Solarenergie, Windkraft und Geothermie.

Rahmenbedingungen entscheidend für Kleinkraftwerke

Um die Ziele der Energiestrategie 2050 zu erreichen, ist unter anderem der Ausbau der Kleinwasserkraft vorgesehen. Als Kleinwasserkraftwerke gelten Anlagen mit einer Leistung von bis zu 10 Megawatt. In der Schweiz werden über 1000 solche Kleinwasserkraftwerke betrieben. Jedoch ist die gesamte Leistung der Schweizer Kleinwasserkraftwerke seit 1990 nur relativ langsam gestiegen.

Gemäss den Forschenden der Universität Bern schöpfen die Kantone das Potenzial ihrer Wasserkraft zudem sehr unterschiedlich aus. Dies liegt teilweise auch an den politischen Bedingungen. In Kantonen, die raumplanerisch genau definieren, wo Kleinwasserkraftanlagen gebaut werden dürfen und wo nicht, werden weniger Anlagen gebaut. Wo den lokalen Kleinkraftwerken umgekehrt gute Einspeisebedingungen offeriert werden, florieren die Kleinwasserkraftwerke eher.

Mehrbelastung von 15 Franken pro Monat ist zu viel

Dass schlussendlich vieles an den Kosten hängt, zeigen auch die Untersuchungen bei den Privathaushalten. Zwar befürworten Schweizerinnen und Schweizer, so die Berner Studie, den Einsatz erneuerbarer Energie im Allgemeinen. Sobald für die Haushalte dafür aber Kosten entstehen, sinkt die Unterstützung. Die Begeisterung für erneuerbare Energiepolitik nimmt fast linear zu den Mehrkosten ab: Mit jedem Franken, den Haushalte mehr bezahlen müssen, sinkt die Akzeptanz politischer Massnahmen.

Wenig Überzeugung, dass eine Umweltsteuer wirkt

In der Studie wurde auch untersucht, inwiefern die Interviewten verschiedene Massnahmen zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Senkung des Energiebedarfs befürworten. Gerade ökologische Steuern erwiesen sich als besonders unbeliebt, obwohl die Wissenschaft diese für sehr wirksam hält. Eine Erklärung für diesen Befund ist, dass ein wesentlicher Teil der Bürgerinnen und Bürger entweder die Wirkungsweise solcher Steuern nicht versteht oder nicht daran glaubt. Davon zeugen etwa die Antworten zur Aussage: «Eine Umweltsteuer reduziert den Energieverbrauch nicht». Rund die Hälfte stimmte dieser Aussage zu, aber ebenso viele lehnten sie ab.

Geheimrezept: «Politik der kleinen Schritte»

In einem föderalistischen Staat wie der Schweiz sehen die Anreize für erneuerbare Energie je nach Kanton unterschiedlich aus. Darum wurden in der Studie die Angebote in den Kantonen Bern, Wallis, Luzern, Uri und Thurgau untersucht. So verschieden diese Kantone sind, so tendieren sie alle zu einem Alleingang und sprechen sich gemäss Studie zu wenig untereinander ab. Die Kantone brauchen eine breite Palette von Instrumenten, um Erneuerbare zu fördern. Die Bevölkerung bevorzugt aber klar Steuererleichterungen und Subventionen. Genau für diese Instrumente fehlen den Kantonen aber die nötigen Ressourcen. Und durch den Wegfall der kostendeckenden Einspeisevergütung KEV auf nationaler Ebene im Jahr 2022 spitzt sich diese Lage noch zu.

Evolution statt Revolution

Isabelle Stadelmann-Steffen und ihr Team schlagen eine «Politik der kleinen Schritte» vor. Denn eine stetige Weiterentwicklung des Status quo käme bei der Allgemeinheit besser an als grosse Veränderungen. Als Beispiel erwähnen die Forschenden eine moderate Steuer, die dann über die Zeit erhöht werden kann, statt der Einführung einer hohen, wirksameren Steuer, die dafür nicht akzeptiert wird.

Den politischen Entscheidungsträgern schlagen sie vor, sich mit ihren Amtskollegen aus den anderen Kantonen auszutauschen. Und auf lokaler Ebene müssten dezentrale und kleine Stromproduzenten gefördert werden, zum Beispiel mit guten Einspeisebedingungen für Kleinwasserkraftwerke.

Kontakt und Team

Prof. Dr. Isabelle Stadelmann-Steffen

Institut für Politikwissenschaft
Universität Bern
Fabrikstrasse 8
3012 Bern

+41 31 631 83 55
isabelle.stadelmann@ipw.unibe.ch

Isabelle Stadelmann-Steffen

Projektleiterin

Clau Dermont

Karin Ingold

Lorenz Kammermann

Stefan Rieder

Chantal Strotz

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 12.06.2019 ab.