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Die Zukunft der Solarzelle heisst Perowskit

Solarzellen aus Perowskit stehen kurz vor dem Durchbruch – das günstige und vielseitige Material ist wie geschaffen für die effiziente Gewinnung von Solarstrom. Doch für den realen Einsatz sind die neuen Solarzellen noch zu wenig robust. Forschende der ETH Lausanne (EPFL) und der Universität Freiburg sind daran, die Perowskit-Technologie auf Praxistauglichkeit zu trimmen.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Zukünftige Perowskit-Solarzellen». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Photovoltaik der nächsten Generation».
Die Hochskalierung vom Labormassstab zu grossflächigen Solarmodulen ist eine der verbleibenden Hürden zur industriellen Massenfertigung von Perowskit-Solarzellen.
Die Hochskalierung vom Labormassstab zu grossflächigen Solarmodulen ist eine der verbleibenden Hürden zur industriellen Massenfertigung von Perowskit-Solarzellen. Final Report
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Perowskit-Solarzellen sind günstig, leicht zu verarbeiten, effizient – aber im Betrieb noch zu wenig stabil.
  • Jüngste Entwicklungen der Schweizer Forschung bringen das Ziel in Griffweite: Perowskit-Solarzellen, die dauerhaft hohe Leistung bringen.
  • Um Erfolg zu haben, muss die neue Technologie mit bestehenden industriellen Herstellungsverfahren kompatibel sein.

Dunkelblaue Platten auf roten Ziegeldächern und grünen Wiesen – das ergibt eine Internet-Bildersuche nach dem Begriff «Sonnenenergie». Tatsächlich sind die vertrauten blauen Solarzellen aus Silizium die am meisten verbreitete Technologie für Photovoltaik. Aber längst nicht mehr die einzige. Eine neue Technologie ist in den Startlöchern: die Solarzelle aus Perowskit. Das ist der Sammelbegriff für neuartige Materialen, deren Kristallstruktur dem ebenfalls Perowskit genannten natürlichen Mineral gleicht.

Perowskit-Solarzellen haben eine rasante Entwicklung hinter sich. Über die letzten zehn Jahre explodierte ihr Wirkungsgrad förmlich und stieg von bescheidenen 3 Prozent auf über 20 Prozent. Die Perowskite haben hervorragende Eigenschaften: Sie absorbieren Licht besonders effizient und leiten den gewonnenen Strom gut ab. Dabei sind sie sowohl kostengünstig als auch einfach in der Herstellung und Verarbeitung. Solarzellen auf Perowskitbasis haben aber auch einen bedeutenden Nachteil: Noch arbeiten sie nicht genügend konstant und sind zu wenig dauerhaft für den grossangelegten Einsatz. Forschende der ETH Lausanne (EPFL) und der Universität Freiburg sind daran, die Stabilität und den Wirkungsgrad dieser vielversprechenden Technologie zu verbessern.

Doping für Solarzellen

Oft kommt dabei das sogenannte Doping zum Einsatz – in der Halbleitertechnik ein durchaus legitimes Mittel zur Leistungssteigerung. Dabei werden halbleitende Stoffe mit geringen Mengen eines fremden Elements angereichert – auf Deutsch spricht man von Dotierung. Die Fortschritte auf diesem Weg sind frappant. Indem die Forschenden zum Beispiel eine Elektrode aus Titanoxid mit dem Element Lithium dotierten, erhöhten sie die Leistung einer Perowskit-Solarzelle um zwei Prozentpunkte auf über 19 Prozent.

Verwendeten die Forschenden zum Dotieren Neodym statt Lithium, war der Wirkungsgrad mit gut 18 Prozent nicht ganz so glänzend. Hingegen – und das ist nicht minder wichtig – arbeitete diese Solarzelle viel länger mit einer hohen Leistung. Die Forschenden fanden heraus, dass die Neodym-Atome wie ein Kitt wirkten, der Risse und Sprünge im Kristallgitter füllt. Dadurch lassen sich sogenannte Elektronenfallen entschärfen. Diese Fallgruben stören die erwünschte Bewegung der Ladungsträger und wirken sich negativ auf die Leistung einer Solarzelle aus. Sie entstehen unter anderem durch ultraviolette Strahlung, die das Titanoxid angreift.

In einer weiteren Studie ersetzten die Forschenden das UV-empfindliche Titanoxid durch eine andere Verbindung: Zinnoxid. Dieses ist zwar weniger anfällig auf UV-Licht, enttäuschte bisher aber bei der elektrischen Leistung. Die Lösung hiess auch hier wieder «Doping». Diesmal mit dem Element Gallium. Das Resultat überzeugt mit einem guten Wirkungsgrad von 16,5 Prozent und vor allem einer ausgezeichneten Widerstandsfähigkeit gegen UV-Strahlung.

Stabilität dank «Schmetterlingsmolekül»

Dotierung ist jedoch nicht immer die Antwort auf die Herausforderungen der Perowskit-Technologie. So kommt eine weitere Entwicklung der EPFL gänzlich ohne Doping aus. Es handelt sich dabei um eine organische Verbindung, deren Moleküle mit ihrer komplexen Form einem Schmetterling ähnlich sehen (Bild 1). Die etwas esoterisch klingende Aufgabe dieses Materials ist es, «Löcher» zu transportieren. Mit «Löcher» sind positive Ladungen gemeint, die entstehen, wenn Elektronen durch Absorption von Licht aus ihrer Umgebung herausgeschlagen werden. Die organischen «Schmetterlingsmoleküle» ermöglichen ähnliche Wirkungsgrade wie herkömmliche Materialen, sind aber wesentlich stabiler.

Elegante Lösung – die Moleküle dieses dotierungsfreien Materials ähneln unverkennbar einem Schmetterling.
Elegante Lösung – die Moleküle dieses dotierungsfreien Materials ähneln unverkennbar einem Schmetterling.

In den bisher genannten Fällen richteten die Forschenden ihre Anstrengungen auf die Verbesserung von Elektroden und anderen Strom transportierenden Schichten. Doch mit zu den grössten Erfolgen gehören ihre Entwicklungen am Herzstück der Solarzelle – dem Licht absorbierenden Perowskit. Sie entdecken, dass die Zugabe einer kleinen Menge von Cäsium zu den organischen Bestandteilen des Perowskits zu viel reineren Kristallen führt – und einem Spitzenwirkungsgrad von 21,1 Prozent (Bild 2).

Die Verbesserung ist augenfällig – eine Zugabe von 5 Prozent Cäsium (rote Symbole) steigert Wirkungsgrad und Stabilität der Perowskit-Zelle markant gegenüber der Variante ohne Cäsium (schwarze Symbole).
Die Verbesserung ist augenfällig – eine Zugabe von 5 Prozent Cäsium (rote Symbole) steigert Wirkungsgrad und Stabilität der Perowskit-Zelle markant gegenüber der Variante ohne Cäsium (schwarze Symbole).

Die Mischung mit Cäsium ist ausserdem gutmütiger gegenüber kleinen Ungenauigkeiten im Herstellungsprozess. Das macht die Fertigung von Perowskit-Solarzellen mit Wirkungsgraden über 20 Prozent zur Routine – ein Durchbruch für die Reproduzierbarkeit und ein grosser Schritt in Richtung Industrialisierung dieser neuen Technologie.

Auf direktem Weg zum Industrieprodukt

Eine weitere wichtige Etappe auf dem Weg zum marktfähigen Produkt ist der Schritt vom Labormassstab zur Fertigung grossflächiger Solarmodule. Die elektrische Verschaltung dieser Module geschieht industriell mithilfe von Lasern, die isolierende Trennlinien oder auch Kanäle für Leitbahnen in die Materialien gravieren. Ob dieses industrielle Verfahren auch bei Perowskiten funktioniert, war bisher unklar. Mit dem ersten lasergefertigten Solarmodul aus Perowskit gelang es den Forschenden der EPFL, diesen Nachweis zu erbringen.

Mit jeder Innovation rückt das Ziel der Verwirklichung wirtschaftlicher und hocheffizienter Perowskit-Solarzellen näher. Und die neuen Zellen werden die Energiewende nicht nur technisch unterstützen, sondern auch ästhetisch attraktiver machen. Denn die entwickelten Materialien und Verfahren ermöglichen dezente Alternativen zum einheitlichen Solarzellenblau. Die Chancen einer schnellen Einführung der Perowskit-Solarzelle sind gut, meint Michael Grätzel von der EPFL. Vor allem deshalb, weil die neuen Entwicklungen in bestehende industrielle Fertigungsketten integriert werden können. Nur so können Schweizer Firmen und Forschungsgruppen im umkämpften internationalen Umfeld ihren Vorsprung wahren, ist Grätzel überzeugt.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Michael Grätzel

Institut des sciences et ingénierie chimiques
EPF Lausanne
Station 6
Office: CH G1 526
1015 Lausanne

+41 (0)21 693 31 12
michael.graetzel@epfl.ch

Antonio Abate

Dominik Josef Kubicki

Michael Grätzel

Projektleiter

Ullrich Steiner

Jun-Ho Yum

Konrad Domanski

Björn Niesen

Sandy Sanchez Alonso

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 10.05.2019 ab.