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Fördern oder lenken in der Energiepolitik – was ist günstiger?

Um die Klima- und Energieziele des Bundes zu erreichen, kann die Schweiz Anreize zu sparsamerem Verhalten mit Lenkungsabgaben setzen oder aber neuen Technologien mit Vorschriften und Subventionen zum Durchbruch verhelfen. Welcher der beiden Ansätze gesamtwirtschaftlich günstiger ist, untersuchten Forschende der ETH Zürich und des Beratungsbüros Ecoplan.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Förder- oder lenkungsbasierte Energiepolitik».
Ob die Schweiz ihre Energieziele mit Subventionen oder Steuern erreicht, macht finanziell einen grossen Unterschied.
Ob die Schweiz ihre Energieziele mit Subventionen oder Steuern erreicht, macht finanziell einen grossen Unterschied. Pixabay
Auf einen Blick

Auf einen Blick

Lenken oder fördern

  • Um die Klima- und Energieziele zu erreichen, stehen zwei Wege offen: lenken oder fördern.

Lenkungsabgaben sind günstiger als Förderpolitik

  • Die gesamtwirtschaftlichen Kosten für die Zielerreichung sind mit Lenkungsabgaben fünf Mal geringer als mit Subventionen.
  • Der Grund: Die Kosten für die Subventionen sind versteckt, Lenkungsabgaben jedoch fliessen über Rückvergütungen zurück an Konsumenten und Unternehmen.

Nicht alle profitieren gleich von Lenkungsabgaben

  • Hauseigentümer und ländliche Haushalte fahren etwas schlechter als Haushalte in der Agglomeration und der Stadt.
  • Stärker profitieren Haushalte, die einen geringen Anteil ihres Budgets für Energieträger ausgeben, und solche mit einem grossen Anteil staatlicher Leistungen am Einkommen wie etwa AHV-Zahlungen.

Mit der Energiestrategie 2050 will die Schweiz ihren Energieverbrauch bis im Jahr 2035 um 43 Prozent senken. Um dieses Ziel zu erreichen, gibt es verschiedene Wege: Zum Beispiel könnten Bund und Kantone Steuern auf Energie erheben – der Verbrauch wird also teurer. Oder die Behörden erlassen Vorschriften und gewähren Subventionen, beispielsweise in Form von Zuschüssen an Gebäudesanierungen – dies fördert das Energiesparen.

Welcher dieser beiden Ansätze gesamtwirtschaftlich billiger zu stehen kommt, haben Forschende der ETH Zürich und des Beratungsbüros Ecoplan verglichen. Das Resultat: Obwohl mit Lenkungsabgaben die Energiekosten für Haushalte steigen, ist diese Lösung letztlich billiger. Denn die Verbraucher erhalten einen Grossteil des Geldes über Rückvergütungen zurück. Um die gesetzten Ziele mit Lenkungsabgaben zu erreichen, entstehen gemäss den Berechnungen insgesamt jährliche Kosten von knapp einer Milliarde Franken, was 0,23 Prozent der jährlichen Konsumausgaben in der Schweiz entspricht. Ein Durchschnittshaushalt hätte damit Kosten von 292 Franken zu tragen. Anders bei einer Reduktion des Energieverbrauchs auf den Zielwert mittels Subventionen: Dieser Weg kostet insgesamt über 5,5 Milliarden Franken, also über fünf Mal mehr. Umgerechnet auf einen Durchschnittshaushalt bedeutet dies Kosten von 1548 Franken jährlich.

Emissionen und Energieverbrauch reduzieren

Die Schweiz hat sich im Rahmen ihrer Energie- und Klimapolitik zu einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet, um die Kohlendioxid-Emissionen und den Energieverbrauch zu senken. Bei der Gestaltung politisch umsetzbarer regulatorischer Strategien, die das Erreichen dieser Ziele ermöglichen, ist jedoch die Wahrung eines Gleichgewichts zwischen wirtschaftlicher Effizienz und sozialer Gerechtigkeit erforderlich. Und die Steuerungsinstrumente müssen im Verlauf der politischen Prozesse Akzeptanz finden – gerade in einer direkten Demokratie wie der Schweiz. Daher sind für den Erfolg einer Strategie nicht nur Aspekte der Effizienz wichtig, sondern auch solche der Gerechtigkeit, das heisst der Verteilungseffekte auf die verschiedenartigen Haushalte. Eine solche streng quantitative ökonomische Analyse fehlte bisher – nun haben die Forschenden dies erstmals genauer untersucht, und zwar anhand zweier möglicher Paradigmen:

  • Lenkungsparadigma: Dieses Paradigma steht für eine umfassende marktbasierte Regulierung durch CO2- und Elektrizitätsabgaben.
  • Förderparadigma: Dieses Paradigma steht für eine gezielte Regulierung, die entweder darauf abzielt, die Ressourcen effizienter einzusetzen (zum Beispiel mit Emissionsnormen für neue Autos oder Effizienzstandards für neue Elektrogeräte), oder indem marktbasierte Förderinstrumente geschaffen werden (wie zum Beispiel Subventionen für Bauprogramme).

Mikro-Simulationsanalysen

Um die beiden Ansätze zu vergleichen, entwickelten die Forschenden ein numerisches Bezugssystem, das ein allgemeines, auf die einzelnen Haushalte bezogenes, berechenbares Gleichgewichtsmodell mit Mikro-Simulationsanalysen kombiniert. Diese Kombination hat den Vorteil, dass die Auswirkungen politischer Reformen für die gesamtwirtschaftliche Kosteneffizienz analysiert werden können und man gleichzeitig einen sehr detaillierten Überblick über die Wirkung der finanzpolitischen Massnahmen auf die einzelnen Haushalte erhält. Der integrierte Modellierungsrahmen zeichnet nicht nur ein umfassendes Bild von der Heterogenität der Haushalte, sondern berücksichtigt auch wichtige sektorübergreifende Verflechtungen wie solche zwischen Privathaushalten und der Industrie und preisabhängige Marktrückkoppelungen im gesamtwirtschaftlichen Rahmen.

Lenken ist billiger als subventionieren

Die Forschenden stellten fest, dass sich eine marktorientierte Regulierung gesamtwirtschaftlich auszahlt: Lenkungsabgaben verringern im Vergleich zu Förderprogrammen die Kosten für wirtschaftliche Anpassungen um mehr als den Faktor fünf. Der Grund für diesen deutlichen Unterschied: Lenkung hat überall und auf jede einzelne energierelevante Entscheidung von Haushalten und Unternehmen Einfluss. Die auf der ganzen Breite wirkende Lenkung führt daher zu deutlich tieferen Gesamtkosten als die punktuelle Förderung. Die höheren Gesamtkosten der Förderstrategie sind verdeckt, da die Verbraucherpreise für Energie hier nahezu unberührt bleiben, während sie durch Lenkungsmassnahmen steigen. Letztlich müssen aber die Haushalte und Unternehmen für diese Mehrkosten aufkommen.

Bei beiden Strategien entstehen auf Ebene der Haushalte unterschiedliche Effekte, die von den Ausgabeverhalten und den Einkommensquellen der Verbraucher abhängen. Die Verteilung der Wirkungen auf die Haushalte ist allerdings bei Lenkungsinstrumenten breiter gestreut. Von der Lenkung profitiert rund ein Drittel der Haushalte, hingegen stehen bei der Förderung alle Haushalte wirtschaftlich schlechter da. Weiter profitieren von den Lenkungsinstrumenten jene Haushalte, die einen relativ geringen Anteil ihrer Einkommen für Energiegüter ausgeben oder die einen hohen Anteil ihrer Einkünfte aus staatlichen Leistungen wie zum Beispiel der AHV beziehen. Ebenfalls profitieren Haushalte mit tiefem Gesamteinkommen überproportional von steuerlichen Pro-Kopf-Rabatten.

Die durchschnittlichen Wohlfahrtswirkungen der Förderinstrumente sind in allen sozio-ökonomischen Gruppen, die die Analyse berücksichtigte (Einkommen, Hauseigentümer und Mieter, Pensionierte und Erwerbstätige, Haushalte in ländlichen und städtischen Regionen/Agglomerationen), nahezu identisch. Hingegen sind die Wirkungen bei Lenkungsinstrumenten vor allem davon abhängig, wie der Staat das Steueraufkommen beispielsweise aus der CO2-Abgabe verwendet. Pensionierte erzielen bei Lenkungsmassnahmen nur geringe Wohlfahrtszuwächse, Hauseigentümer schneiden schlechter ab als Mieter und Haushalte auf dem Land sind schlechter gestellt als Haushalte in der Stadt und in den Agglomerationen. Aber gesamtwirtschaftlich kommen Lenkungsabgaben die Gesellschaft billiger zu stehen.

Kontakt und Team

Prof. Sebastian Rausch

Centre for Energy Policy Economics (CEPE)
ETH Zürich
Zürichbergstrasse 18
ZUE E7
8032 Zürich

+41 44 632 63 59
srausch@ethz.ch

Sebastian Rausch

Projektleiter

Christoph Böhringer

Mirjam Kosch

Florian Landis

André Müller

Renger van Nieuwkoop

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 18.06.2019 ab.