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Wasserkraft für eine nachhaltige Entwicklung

An Wasserkraftanlagen haben nicht nur Betreiber, sondern auch Gemeinden und Kantone ein wirtschaftliches Interesse. Doch diese Bauwerke haben grosse Eingriffe in die Natur zur Folge. Wichtig für eine erfolgreiche Planung von Nachrüstungen und Neubauten sind deshalb eine umfassende Analyse aller Nachhaltigkeitsaspekte und ein Dialog aller Akteure.

Zusammenfassung des Forschungsprojekts «Nachhaltigkeit der Wasserkraft». Dieses Projekt ist Teil des Verbundprojektes «Die Zukunft der Schweizer Wasserkraft».
Staumauer in idyllischer Landschaft: Der Lac d’Emosson in den Walliser Alpen.
Staumauer in idyllischer Landschaft: Der Lac d’Emosson in den Walliser Alpen. Adobe Stock
Auf einen Blick

Auf einen Blick

  • Sowohl für Neubauten als auch für das Nachrüsten von Wasserkraftanlagen wird eine integrierte Nachhaltigkeitsbeurteilung empfohlen.
  • Durch eine umfassende Analyse aller Auswirkungen eines Projekts auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft sowie den frühzeitigen Einbezug betroffener Gruppierungen können die Erfolgschancen für ein Projekt gesteigert werden.
  • Investitionsentscheidungen sollten nicht alleine von finanziellen Überlegungen geleitet sein, sondern auch auf einer Berücksichtigung von gesamtwirtschaftlichen und gesellschaftlichen Aspekten sowie Umweltauswirkungen basieren.

Die nachhaltige Entwicklung des Landes ist ein übergeordnetes Prinzip der Bundesverfassung – sie gilt also auch für die Umsetzung der Energiestrategie 2050. Ein zentraler Bestandteil dieser Strategie ist die Stromerzeugung mit Wasserkraft. Investitionen in diese Infrastruktur sollten folglich nicht nur anhand finanzieller Überlegungen erfolgen, sondern auch die drei Säulen der Nachhaltigkeit berücksichtigen – Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft. Dafür eignet sich eine integrierte Nachhaltigkeitsbeurteilung, wie sie teilweise auf Bundesebene und in einzelnen Kantonen bereits vorgeschrieben ist, denn eine solche fördert Probleme frühzeitig zu Tage und erhöht die Akzeptanz in der Bevölkerung. Doch bis anhin gab es kein geeignetes Werkzeug für die Nachhaltigkeitsbeurteilung von Wasserkraftprojekten. Nun haben Forschende diese Lücke geschlossen.

Umfassende Beurteilung

Die Wissenschaftler haben basierend auf der Nachhaltigkeitsbeurteilung des Kantons Bern ein Beurteilungstool für die Wasserkraft erarbeitet. Das daraus entstandene Raster enthält 16 Unterbereiche mit 45 Kriterien und insgesamt 150 Indikatoren, die die Auswirkungen auf Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft messen. In zwei Fallstudien im Tessin (Piottino) und in Graubünden (Lago Bianco) überprüften die Forschenden das Potenzial dieser Methode, die auch die wichtigsten Anspruchsgruppen involviert.

Am Beispiel des Lago Bianco auf dem Berninapass zeigte sich, dass die Bauphase zwar Umweltbelastungen zur Folge hätte, aber gleichzeitig Kapital in die Region fliessen und die Bauarbeiter mit ihren Bedürfnissen die lokale Wirtschaft ankurbeln würden. Auch in der Betriebsphase wirkt sich ein Kraftwerk als Arbeitgeber positiv auf die Wirtschaft aus. Die Beurteilung der Umwelteinflüsse in der Betriebsphase fällt neutral oder positiv aus, denn bereits 2008/2009 fand ein Dialog aller Akteure statt, dank dem alle negativen Umwelteinflüsse entschärft werden konnten. So werden die Beeinträchtigungen während der Bauphase durch Vorteile in der Betriebsphase kompensiert; die Kriterien für die Umsetzung des Projekts gehen über den reinen Strompreis hinaus.

Zur integrierten Nachhaltigkeitsbeurteilung gehört aber nicht nur die Analyse der Auswirkungen, sondern auch der Austausch der Betroffenen – unter anderem Bund, Kanton, Betreiber, Planer, Umweltorganisationen und die lokale Bevölkerung – sowie der Einbezug von deren Bewertungen. Mit einer derart umfassenden Evaluation ist ein breiterer Blick auf ein Wasserkraftprojekt möglich. So ist ein Projekt aus gesellschaftlicher Perspektive dann umsetzungswürdig, wenn die Nachhaltigkeitsbeurteilung insgesamt positiv ausfällt. Dies beinhaltet, dass es rein finanziell betrachtet sogar unprofitabel sein kann.

Gebühren für das Wasser sind Druckmittel

Direkt mit der Nutzung der Wasserkraft verbunden sind die Konzessionen und die Gebühren für das Wasser – die sogenannten Wasserzinsen. Diese werden aktuell auf politischer Ebene neu verhandelt. Zudem werden in den kommenden Jahrzehnten viele Wasserkraftkonzessionen auslaufen, sodass eine Erneuerungsrunde ansteht. Diese sollte nach Ansicht der Forschenden dazu genutzt werden, Anpassungen im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung vorzunehmen. So sollten die Konzessionsgeber (Kantone/Gemeinden) angemessene Zinsen erhalten, Projekte mit «grosser Nachhaltigkeit» priorisiert und der gesamte Prozess effizient ausgestaltet werden. Dies geht einher mit Harmonisierungsbestrebungen der Europäischen Union, die den Einbezug von Nachhaltigkeitszielen bei der Konzessionsvergabe verlangt. Ausserdem weisen die Forschenden darauf hin, dass die Gebühren für die Wassernutzung nicht bloss als Kostenfaktor für die Stromproduzenten gesehen werden sollten, sondern primär als Ressourcenentgelt für Gemeinden und Kantone zu betrachten sind.

Stärkere Regulierung

Damit Ausbauprojekte der Wasserkraftindustrie mehrheitsfähig sind, empfehlen die Forschenden der Politik, umfassende Nachhaltigkeitsbeurteilungen vorzuschreiben und die wichtigsten Anspruchsgruppen frühzeitig einzubeziehen, da dies die Akzeptanz steigert. Ein mögliches Mittel dafür ist der Ansatz, der in diesem Forschungsprojekt erarbeitet wurde.

Produkte aus diesem Projekt

Kontakt und Team

Prof. Dr. Werner Hediger

Departement Lebensraum, Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung
HTW Chur
Comercialstrasse 20
Standort D
7004 Chur

+41 81 286 37 33
werner.hediger@htwchur.ch

Lutz E. Schlange

Guillaume Voegeli

Werner Hediger

Projektleiter

Patrick Baur

Gianluca Giuliani

Marc Herter

Franco Romerio

Alle Aussagen dieser Seiten bilden den Stand des Wissens per 18.06.2019 ab.